Eine Powerfrau zu Beginn des 20. Jahrhunderts:
Engagierte – Mutter – Sozialpolitikerin – Christin – Reichstagsabgeordnete – SkF-Gründerin
In einem kleinen Kreis von Frauen begann Agnes Neuhaus um die Jahrhundertwende in Dortmund mit sozialer Arbeit zur Unterstützung gefährdeter Jugendlicher. Im Jahr 1899 gründete sie den Verein vom Guten Hirten, der später als Katholischer Fürsorgeverein für Mädchen, Frauen und Kinder bekannt wurde. Es entstanden Ortsvereine, die von ehrenamtlichen Frauenvorständen geleitet wurden und mit Fachkräften zusammen-arbeiteten.
Im Jahr 1917 wurde eine eigene Wohlfahrtsschule zur Ausbildung von Fachkräften gegründet (heute Anna Zillken Schule, Dortmund). Im Jahr 1919 umfasste der Verein 112 Ortsgruppen und 40 Zufluchtshäuser für Frauen und Mädchen. Als Abgeordnete des Reichstages hatte Agnes Neuhaus großen Einfluss auf das Reichsjugendwohlfahrtsgesetz von 1924*, in dem das Subsidiaritätsprinzip** festgeschrieben wurde.
Während des Dritten Reiches wurden die Träger der Freien Wohlfahrtspflege, und somit auch der Katholische Fürsorgeverein, zunehmend aus der Zusammenarbeit mit staatlichen Stellen verdrängt. Nach dem Krieg fanden viele der Grundsätze der Fürsorgepolitik, für die Agnes Neuhaus gekämpft hatte, Eingang in das Bundessozialhilfegesetz von 1961.
Heute besteht der von Agnes Neuhaus gegründete Verein als Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) fort, einem Frauen- und Fachverband im Deutschen Caritasverband.
* Reichsjugendwohlfahrtsgesetz: im Juli 1922 verkündet und am 1. April 1924 in Kraft getreten. Bis 1961 (Westdeutschland) Regelung der Jugendwohlfahrt; sprach jedem deutschen Kind ein „Recht auf Erziehung“ zu, weitete die öffentliche Jugendhilfe erheblich aus; schuf reichseinheitliche Rechtsgrundlage für die Einrichtung von Jugendämtern und Landesjugendämtern. (Wikipedia)
** Subsidiaritätsprinzip: Hilfe wird in der Sozialhilfe nur dann gewährt, wenn und soweit die bedürftige Person sich nicht selber helfen kann oder wenn Hilfe von dritter Seite nicht oder nicht rechtzeitig erhältlich ist. Die Anwendung des Prinzips in der sozialen Arbeit ist sehr bedeutend, da Sicherung der Vielfalt der Angebote sozialer Dienstleistungen und Gewährleistung des Wunsch- und Wahlrechts hilfesuchender Bürgerinnen und Bürger.